Personalkollaps im Krankenhaus – Beschäftigte machen Rabatz

Die Beschäftigten in den Krankenhäusern brauchen dringend Entlastung. Anstatt den Personalmangel zu beseitigen, verteilt die Bundesregierung Placebos. Die Fraktion DIE LINKE hat den Antrag Gute Arbeit – Gute Versorgung: Mehr Personal in Gesundheit und Pflege(PDF) eingebracht, in dem wir u.a. 100.000 zusätzliche Pflegekräfte in Krankenhäusern sowie eine gesetzliche Personalbemessung in Krankenhäusern fordern.

Dazu haben sich über 25 Mitarbeitervertretungen zu Wort gemeldet, um den Abgeordneten im Bundestag die Meinung zu sagen und Ihnen die unzumutbaren Zustände zu schildern. Die Diskussion wird damit aus dem Elfenbeinturm herausgeholt. Die Abgeordneten konnten lesen, wie es um die Pflege vor Ort tatsächlich steht. Hier sind Auszüge aus den Stellungnahmen:

Eine indische Gottheit mit vielen Armen

„Kennen Sie die Sophie von ver.di? Ein lustiges Bild, wie sie da steht wie Kali, die indische Gottheit mit den vielen Armen. Nur dass die Aussage hinter dem Bild nicht witzig ist, sondern todernst. Wir wünschten oft, wir hätten so viele Arme wie Kali, um unsere Arbeit zu schaffen. Egal auf welche Station sie schauen: Es sind zu wenige Menschen da, um die Arbeit zu leisten. Zwei Pflegekräfte auf einem 50 Meter-Flur, zuständig für 42 Patienten, viele davon mit erhöhtem Pflegebedarf. Schon die grundlegende Versorgung stellt eine kaum zu leistende Herausforderung dar. Medikamentengaben erfolgen sehr oft zeitverzögert, die Lagerung der pflegebedürftigen Patienten ist vorrangig – sie sollen sich nicht durchliegen. Flüssigkeit anreichen erfolgt zwischendurch. Infusionen – zum Teil Antibiosen- werden irgendwann angehängt. Die Anordnung ‚alle 8 Stunden‘, die ja sinnhaft ist, um einen Medikamentenspiegel im Blut aufrechtzuerhalten, kann häufig nicht eingehalten werden. Oder ist es doch wichtiger, die Medikamente zeitgerecht zu geben und dafür die Lagerung hinten anzustellen? Trinken müssen die Patienten doch auch – aber wenn die Zeit fehlt einem Patienten mit Schluckstörungen ein Glas Wasser zu geben? Die Klingeln müssen auch ‚abgearbeitet‘ werden. Patienten, die eigentlich nicht inkontinent sind, machen in ihre Betten – weil niemand rechtzeitig nach der Klingel gesehen hat. Situationen wie diese gibt es reichlich. Die Entscheidung sich erst (alleine! Obwohl es zu zweit schneller und für die Patienten angenehmer ist!) um den isolierten Patienten zu kümmern, sich zu ‚verkleiden‘, im Isolierzimmer festzustellen, dass irgendetwas angereicht werden muss, in der Tür stehend nach der Kollegin zu rufen (die aber in einem anderen Zimmer ist) sich wieder umzuziehen und es selbst zu besorgen, um dann…nicht zurück in das Isozimmer zu gehen, weil in der Zwischenzeit 3 Klingeln leuchten, Angehörige Fragen haben, das Telefon klingelt und im besten Fall ein dementer Patient von der Station zu entlaufen droht – diese Situationen sind unser täglich Brot. Pausen nehmen? Wann denn? Pünktlicher Feierabend? Schon eher die Ausnahme. Freie Tage? Sind oft schneller wieder weg, als eingeplant.“ Betriebsrat AKH-GRUPPE KLINIKUM PEINE GmbH

Zumutung für Pflegende und Patienten

„Eine Schwester im Nachtdienst für bis zu 30 Patienten ist eine Zumutung für Pflegende und Patienten. Überstunden sind keine Ausnahme und gehören zum Klinikalltag.“ Betriebsrat Elisabeth Klinikum Schmalkalden GmbH

„Weitere Personalreduzierung bei einem Pflegeschlüssel von mittlerweile einer Pflegefachkraft für bis zu 12 Patienten im Frühdienst, 1:18 im Spätdienst und 1:36 im Nachtdienst.“ Mitarbeitervertretung St. Joseph Krankenhaus Berlin-Tempelhof GmbH

„Das Pflegestellenförderprogramm [der Bundesregierung] hat sich für uns als nutzlos erwiesen. Die in Aussicht gestellte Personalbemessung in der Altenpflege für 2020, ohne konkrete Angaben zu den Personalschlüsseln – eine Geringschätzung der Pflegenden!“ Betriebsrat Elisabeth Klinikum Schmalkalden GmbH

„Der Kosten -und Leistungsdruck wird durchgereicht von oben nach unten.“ Betriebsrat Elisabeth Klinikum Schmalkalden GmbH

„Dabei denken wir auch an unsere ehemaligen Kolleginnen und Kollegen, die in Töchterunternehmen ausgegliedert wurden.“ Betriebsrat Elisabeth Klinikum Schmalkalden GmbH

„Arbeitsdichte, aber auch die fachlichen Anforderungen an das Personal sind stetig angestiegen, aufgrund fortschreitender Erweiterungen des Leistungsspektrums, bei relativ gleichbleibenden Personalschlüssel.“ Betriebsrat Elisabeth Klinikum Schmalkalden GmbH

Seit Jahren verschlechtern sich die Arbeitsbedingungen

„‚Das Holen aus dem Frei‘ gehört zum Alltag in der Pflege. Der individuelle Krankheitsfall bringt die Dienstplaner in Not.“ Betriebsrat Elisabeth Klinikum Schmalkalden GmbH

„Seit Jahren verschlechtern sich die Arbeitsbedingungen in der Pflege, immer mehr Arbeit soll von immer weniger und geringer qualifiziertem Pflegepersonal bewältigt werden, bei steigenden Qualitätsanforderungen.“ Mitarbeitervertretung St. Joseph Krankenhaus Berlin-Tempelhof GmbH

„Krankheitsausfälle werden nicht ersetzt, selbst Mutterschutz, Elternzeit, Beschäftigungsverbot werden eingespart.“ Mitarbeitervertretung St. Joseph Krankenhaus Berlin-Tempelhof GmbH

„Pflegekräfte werden zwischen Selbstausbeutung (Helfersyndrom, Kollegen nicht alleine lassen wollen) und Fremdausbeutung (Anspruch der Dienstgeber auf eine allzeit bereite Verfügungsmasse mit Arbeit auf Abruf einsetzen zu wollen, um Kosten zu sparen) zerrieben. Dies gefährdet nicht nur die eigene Gesundheit, sondern wirkt sich sichtbar auf die Versorgung von Patienten aus.“ Mitarbeitervertretung St. Joseph Krankenhaus Berlin-Tempelhof GmbH

Gesetzliche Personalbemessung in die Pflege einführen

„Wir fordern Sie auf, eine gesetzliche Personalbemessung in der Pflege einzuführen, die sowohl an der Anzahl der zu versorgenden Patienten, als auch am Pflegebedarf des einzelnen Patienten und seinen Erkrankungen bemessen wird.“ Mitarbeitervertretung St. Joseph Krankenhaus Berlin-Tempelhof GmbH

„Wenn sich etwas ändern soll, brauchen wir einen Schlüssel, wie viele von uns für wie viele Patienten (geclustert nach Erkrankungen) nötig sind.“ Betriebsrat AKH-GRUPPE KLINIKUM PEINE gGmbH

„Nur dann, wenn es eine gesetzliche Bemessung gibt und der Bund die Bezahlung der Krankenhäuser verbessert, gibt es auch eine Chance für mehr Personal und damit eine bessere Versorgung für unsere Patienten. Das alles könnte im besten Fall auch dazu führen, dass der Beruf der Gesundheits- und Krankenpfleger wieder attraktiver wird und sich mehr junge Menschen vorstellen können, ihn zu erlernen. Vielleicht können wir so den Pflegenotstand auch etwas abpuffern.“

Dem haben wir nichts hinzuzufügen und fordern die Bundesregierung auf, auf die Experten vor Ort zu hören.